Stellungnahme von Lichtblicke e.V. zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Assistenz im Krankenhaus für Menschen mit Behinderung sichern – Gesundheitliche Versorgung menschenrechtskonform gestalten“

Denkt man an die Assistenz für Menschen mit Behinderung im Krankenhaus, so fallen einem in der Regel zuerst die persönliche Assistenz oder eine Unterstützung durch Krankenhausbedienstete ein. Es gibt aber noch eine Assistenzform, die auch in der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgehalten ist: die tierische Assistenz – in der Regel in Gestalt von Assistenzhunden. Viele Behinderte, die selbstständig leben, haben statt der menschlichen Assistenz eine tierische Assistenz in Form von Assistenzhunden, die ständig bei Ihnen leben und Ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Der gemeinnützige Verein Lichtblicke e. V., gegründet 1996, vertritt die Interessen der AssistenzhundeführerInnen und betreibt Öffentlichkeitsarbeit, d.h., wir informieren über die Aufgaben und Fähigkeiten der Assistenzhunde, aber auch über die Probleme, auf die Assistenzhunde-Teams immer wieder stoßen. Eines dieser Probleme ist der Zutritt zu Krankenhäusern.

Assistenzhunde, das sind zum einen die Blindenführhunde, dann Servicehunde, die z.B. Türen öffnen, Dinge bringen, aufheben, beim An- und Ausziehen helfen, also einen Service leisten, sowie die Signalhunde: Sie zeigen Veränderungen im Körper, wie z.B. beim Blutzuckerspiegel bei Diabetes an oder signalisieren z. B. das Vorhandensein von allergieauslösenden Stoffen. Bei neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie können sie Anfälle im Voraus anzeigen und dadurch meistens verhindern. Hinzu kommen die Hunde für psychische Erkrankungen, z.B. Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die vielfältige Aufgaben haben. Sie geben ihrem Menschen Sicherheit, warnen bei belastenden, traumatisierenden Situationen, holen den Betroffenen/die Betroffene aus Anfällen heraus und vieles mehr.

 

Ein paar Beispiele für den Einsatz der tierischen Assistenz speziell im Krankenhaus:

– Ich, Livia Hofmann-Buoni, erste Vorsitzende des Vereins Lichtblicke e. V., 1938 in Rom geboren, bin mit vier Jahren erblindet. Seit meinem 20. Lebensjahr habe ich immer einen Führhund. Dank des jeweiligen Führhundes konnte ich in Deutschland und den USA studieren (Musik und Fremdsprachen) und ausgedehnte Konzertreisen unternehmen. Zum Thema Klinik: Auch in die REHA im Jahre 2014 durfte mein Blindenführhund mit und war mein unersetzlicher Begleiter und Führer zu den Anwendungen. Das chronisch überlastete Klinikpersonal hätte das nie leisten können. Allerdings musste ich erst mit der Klinikleitung kämpfen, dass der Hund zugelassen wurde, dann wurde ich sogar gebeten für die Ärzte und die anderen Patienten Vorträge über den Blindenführhund zu halten.

– Eine junge Frau, 25 Jahre alt, hat eine fortschreitende neurologische Erkrankung namens Friedreich-Ataxie und sitzt seit 2004 im Rollstuhl. 2013 wurde bei ihr auch Diabetes diagnostiziert. Ihr Assistenzhund ist also zum einen Servicehund, der ihr all die „Handreichungen“ abnimmt, die sie nicht mehr kann und zum anderen auch Signalhund, der gefährliche Über- und Unterzuckerung rechtzeitig anzeigt. Dafür muss er sie u.U. in der Nacht sogar mehrmals wecken. Vor ein paar Monaten hatte sie einen Unfall und musste in eine Klinik zur Versorgung. Das Personal der Klinik ließ sie nicht mit ihrem Assistenzhund herein, der Hund musste von einem Mitglied ihrer Familie abgeholt werden, und die junge Frau musste nach der Erstversorgung ihrer Gehirnerschütterung und weiterer Verletzungen ohne Assistenz allein nach Hause fahren.

Viele solcher Beispiele sind uns bekannt und lassen uns an der Menschlichkeit zweifeln.

Es gibt glücklicherweise auch Gegenbeispiele:
– Eine junge von PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) betroffene Frau musste mit einer offenen Verletzung in die Klinik. Sie wurde von ihrem Assistenzhund begleitet, der auch beim Nähen der Wunde an ihrer Seite bleiben durfte. Das war eine Universitätsklinik!

Als Grund für die Zurückweisung wird häufig die Hygiene angeführt. Dieses Argument ist jedoch unberechtigt, wie auch Dr. Andreas Schwarzkopf, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Mitbegründer des Instituts Schwarzkopf für Hygiene und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Krankenhaushygiene in seiner Stellungsnahme schreibt.

Er führt darin aus:

„Unter Beachtung einiger weniger Hygiene- und Verhaltensregeln ist der Zutritt eines gepflegten, gut ausgebildeten Assistenzhundes ein kalkulierbares Risiko. Kleinere Rücksichtnahmen sind im Hinblick auf das Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderung und die mögliche Gefahr der Diskriminierung vertretbar und einforderbar. Diese Einschätzung wurde auch von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut und der Deutschen Krankenhausgesellschaft bestätigt.

 

Die Krankenhaushygiene ist in der Bundesrepublik durch das Infektionsschutzgesetz (lfSG) geregelt und wird durch die Empfehlungen der KRINKO zur Krankenhaushygiene und Infektionsprävention präzisiert.
Die KRINKO hat 2005 und 2010 in Veröffentlichungen klargestellt, dass – obwohl Krankheitserreger theoretisch vom Hund auf den Menschen übertragen werden könnten — bei haushaltsüblicher Hygiene, Infektionen eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit haben.“

Zu dem ebenfalls viel strapazierten Argument der Notwendigkeit von Rücksichtnahme auf Hundeallergiker und – phobiker ist zu sagen, dass dies hauptsächlich eine Managementfrage ist. Es ist ohne weiteres möglich, Assistenzhundeteams und Hundeallergiker z.B. an verschiedenen Stellen eines Raumes zu platzieren oder bei festgelegten Terminen zeitlich zu trennen. Bei Allergien in einem lebensbedrohlichen Ausmaß sind ohnedies medizinische Maßnahmen erforderlich, da bereits die Anwesenheit eines Menschen, der eine Katze, ein Kaninchen oder einen Hund zu Hause hat und damit Haare bzw. Hautschuppen des Tieres auf der Kleidung, einen anaphylaktischen Schock bei einem solchen Allergiker auslösen könnte.

Auf jeden Fall stellt die Zutrittsverweigerung für ein Assistenzhundeteam in einem Krankenhaus die Diskriminierung eines Menschen mit Behinderung dar und bedeutet für diesen eine unzumutbare Härte, schließlich ist er auf seine tierische Assistenz angewiesen. Ich bitte Sie sehr, sehr herzlich, geben Sie auch dem Thema Assistenzhund in Ihrer Anhörung den notwendigen Raum. Die Wichtigkeit des Themas Assistenzhund ist auch der Bundesregierung bewusst, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unternimmt konkrete Schritte, damit ein Assistenzhundegesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird und darin auch die Bedürfnisse der Assistenzhunde und der Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung bestmöglich berücksichtigt werden. Der Verein Lichtblicke e. V. arbeitet seit vielen Jahren auf dieses Ziel hin. Doch bis dieses Gesetz in Kraft tritt ist jeder einzelne Schritt wichtig. Jedes Bundesland, das Menschen, die auf einen Assistenzhund angewiesen sind, mehr Teilhabe ermöglicht, leistet einen wesentlichen Beitrag, wodurch wir uns endlich den Zielen der UN- Behindertenrechtskonvention annähern.